Aerarium Parfum
Geld und Duft weisen, in ihrer beider Eigenschaft materielle wie immaterielle Substanzen zu sein, gewisse Ähnlichkeiten zueinander auf. Beide sind nicht wirklich greifbare, teils symbolisch umgedeutete, aber auch flüchtige Stoffe.
Geld wie Parfum funktionieren auf der Ebene von Beziehungen, nämlich den Wechselwirkungen unter den Menschen. Geld erscheint insbesondere in der digitalen Ära als omnipräsente, materielle Abwesenheit, Duft ist ätherisch, so präsent wie ungreifbar.
Aerarium beruft sich jedoch nicht nur auf das Luftig-Flüchtige sondern auch auf sein Gegenteil: die Bronze, lateinisch aes. Denn Aerarium war die Bezeichnung für die antike römische Staatskasse, das Aerarium Populi Romani. Dieses erste überlieferte Finanzamt bewahrte das so genannte bewegliche Volksvermögen auf. Der gemeinsame Besitz befand sich im Tempel des Saturn, auf dem Forum Romanum. Er gilt er als zweitältester Tempel Roms.
In Karlsruhe verwandelt und besetzt Aerarium eines der strukturalen Elemente, die das Gebäude prägen: Ein vertikales Fenster im Eingangsbereich wird zu einer verspiegelten beleuchteten Vitrine. Bestückt mit einer grossen Anzahl von Parfumflakons, von außen und von innen sichtbar, bekommt sie skulpturale Präsenz. Durch die Spiegelung der Glasobjekte in den Regalböden und den Seitenflächen, werden diese ins Unendliche multipliziert.
Dass sowohl Geld als auch Duft sichtbar und gleichzeitig unsichtbar sind, anwesend und abstrakt, stimulierte mich. Die Vorstellung hingegen, dass ein Finanzamt heute, im Zeitalter der Digitalisierung, so gut wie keine Besucher*innen mehr hat, irritiert. Aerarium möchte daher Menschen auf andere Weise in das Finanzamt einladen und zugleich den 600 Mitarbeiter/innen einen Duft widmen.
Die einstige Parfümerie Feinseifenfabrik F. Wolff & Sohn ging aus einem 1829 gegründeten Friseurgeschäft hervor und erreichte nach 1871 Weltruhm. 1891 zog sie von der Kaiserstrasse in diese, von Hermann Walder geplanten Gebäude. 1974 wurde die Produktion eingestellt. (Text einer Plakette an einer Hauswand an der Durlacher Strasse 29.)
Ihre kosmetische Produktserie Kaloderma war ein Welterfolg. Restgebäude der Fabrik stehen heute noch und sind teilweise zum Kulturdenkmal erklärt worden. Dazu gehört das gegenüber dem Finanzamt liegende Gebäude, heute Polizeipräsidium, das sich in der Aerarium -Vitrine spiegelt.
Unweit von Karlsruhe wurde im Schwarzwald zudem ein besonderer Parfümflakon aus grünlichem Waldglas, vermutlich aus der frühen Neuzeit gefunden. Die Form dieses Fläschchens, dem besondere, magische Kräfte zugeschrieben wurden, war Vorbild für die Flakons, die nun in der Vitrine im Finanzamt Karlsruhe zu sehen sind.
Hergestellt wurden die Einzelstücke exklusiv und im Beisein der Künstlerin in der Dorotheenhütte im Schwarzwald. Jeder Flakon ist ein gekennzeichnetes Einzelstück. Ein künstlerisches Multiple, durch eine individuelle Gravur beschrieben. In den Flakons befindet sich Aerarium, ein Duft, der, gemeinsam mit Andreas Wilhelm, einem Zürcher Parfümeur, komponiert und hergestellt wurde und nun exklusiv im Finanzamt Karlsruhe erworben werden kann. Es ist ein ganz spezieller Duft, der nach frisch gedruckten Banknoten riecht.
Aerarium ist nur hier, im Karlsruher Finanzamt, erhältlich. Das Finanzamt erscheint als Parfümerie. Der Besuch der Menschen dient nicht mehr (nur) dazu Steuerfragen beantwortet zu bekommen, sondern auch Aerarium zu riechen, zu erwerben. Er gibt dem Finanzamt eine Duftnote, die mit den Menschen in die Stadt hinaus und in andere Räume hineingetragen wird.
Der Preis setzt sich aus den Produktionskosten zusammen. Das Geld aus dem Verkauf dient, sobald genug zusammengekommen ist, der Produktion einer neuen Charge mit Duft gefüllter Glasflakons. Geld verwandelt sich auf allegorische Weise also immer wieder in Duft. Da lediglich die Herstellungskosten des Produktes berechnet werden, entsteht kein Mehrwert. Das Produkt trägt nicht zur Kapitalvermehrung bei. Aerarium stellt damit vielleicht auch ein bisschen die Frage nach Wert und Wertigkeit von Geld, Ware, Luxus und Kunst in einem kapitalistischen System.
Und eine Kampagne wirbt mittels Zeitungsanzeigen und Plakaten im Stadtraum:
Aerarium – Ihr Steuerduft! Jetzt exklusiv im Finanzamt Karlsruhe!
Aerarium ist ein Kunstwerk von Katharina Hohmann für das Finanzamt Karlsruhe.
Duftkreation: Andreas Wilhelm, Zürich.
Flakons: Dorotheenhütte, Wolfach.
Im Auftrag der Kunstkommission des Landes Baden-Württemberg.
Wie duftet Geld? Eine Künstlerin hat für das Finanzamt Karlsruhe ein Parfüm entworfen, das diese Frage beantwortet.
Im Neubau des Karlsruher Finanzamt kann man Parfüm bekommen, das nach frisch gedrucktem Geld riechen soll. Die Konzeptkünstlerin Katharina Hohmann hat die Kreation „Aerarium“ entwickelt und bei einem Kunst-am-Bau-Wettbewerb gewonnen. Inspiriert habe sie, dass sich auf dem Neubaugelände ehemals die Parfümerie F. Wolff und Sohn befand. Das Parfüm beinhaltet den Angaben nach Noten von Iris, Feigenblättern, Cannabis, weissem Moschus und Wildleder. Komponiert habe Hohmann den Duft mit dem Zürcher Parfümeur Andreas Wilhelm. Abgefüllt wird er in Flaschen unterschiedlicher Farbe und Form, die eine Art Perlmuttschimmer haben. Auch das kein Zufall: Im Schwarzwald unweit von Karlsruhe sei ein besonderer Parfümflakon aus grünlichem Waldglas, vermutlich aus der frühen Neuzeit, gefunden worden, erläuterte Hohmann. „Die Form dieses Fläschchens, dem besondere, magische Kräfte zugeschrieben wurden, war Vorbild für die Flakons, die nun in der Vitrine im Finanzamt Karlsruhe zu sehen sind.“
Limitierte Erstauflage: 600 an der Zahl gewidmet den 600 Mitarbeitern.
Auch der Name, „Aerarium“, kommt nicht von ungefähr: Aerarium sei die Bezeichnung für die antike römische Staatskasse gewesen, so Hohmann. Abgeleitet vom lateinischen Wort für Bronze: aes. Das erste überlieferte Finanzamt habe das sogenannte bewegliche Volksvermögen im Tempel des Saturn auf dem Forum Romanum aufbewahrt. Der Duft sei eine „Symbiose zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“.
Geld und Duft seien beide „nicht wirklich greifbare, teils symbolisch umgedeutete, aber auch flüchtige Stoffe“, beschreibt Hohmann ihre Konzeption. „Geld wie Parfüm funktionieren auf der Ebene von Beziehungen, nämlich den Wechselwirkungen unter den Menschen.“ Gerade in der digitalen Ära erscheine Geld als „omnipräsente, materielle Abwesenheit, Duft ist ätherisch, so präsent wie ungreifbar“.
Kopf: Iris (Florenz), weisse Ambra, der Duft des Geldes
Herz: Mimosa Absolue (Frankreich), Feigenblätter, Cannabis
Basis: Frisch gedrucktes Geld, weisser Moschus, Wildleder
Flakon 129/600